09.06.2016 | Christina Ingerfurth

Zeitzeugen in der Schulversammlung

Das Zeitzeugen-Theater, ein Pilotprojekt des Bundesverbandes, war vergangenen Montag Gast in unserer Schulversammlung. Überlebende des NS-Terrors haben hierfür zusammen mit Schülerinnen und Schülern ihre Verfolgungsgeschichte in Form eines Theaterstücks erarbeitet. Die kreative Auseinandersetzung mit dem Erlebten ermöglicht den Jugendlichen einen direkten und ungeschönten Zugang zur Geschichte.

Das Zeitzeugen-Theater ist ein Pilotprojekt des Bundesverbandes. Überlebende des NS-Terrors erarbeiten zusammen mit Schülerinnen und Schülern ihre Verfolgungsgeschichte in Form eines Theaterstücks. Die kreative Auseinandersetzung mit dem Erlebten ermöglicht den Jugendlichen einen direkten und ungeschönten Zugang zur Geschichte. Für die Überlebenden bietet das Zeitzeugen-Theater eine Chance, ihr Schicksal besser zu verarbeiten und damit einen Beitrag gegen das Vergessen zu leisten.

Entstanden ist die Idee im Jahr 2005 in Israel. Die Organisation JDC / ESHEL hatte damals das Programm „To tell in order to live“ ins Leben gerufen. Seitdem haben sich über fünfzig Zeitzeugentheater-Gruppen in Israel gegründet. Die Non-Profit-Organisation ESHEL setzt sich in Kooperation mit der Hilfsorganisation American Jewish Joint Distribution Committee (JDC) und der israelischen Regierung für eine Verbesserung der Lebensbedingungen älterer Menschen ein.
 
Der Bundesverband hat als Partnerorganisation von JDC / ESHEL die Projekt-Idee des Zeitzeugen-Theaters nach Deutschland überführt. Der einzige Unterschied: In Israel betrifft das Projekt die Überlebenden des Holocaust, der Bundesverband hat die Idee auf alle NS-Verfolgten ausgeweitet. Auch für die teilnehmenden Schüler und Schülerinnen ergibt sich eine Besonderheit. Viele sind Teil einer Generation, deren Urgroßeltern aufseiten der Nationalsozialisten gekämpft haben. Am Leibniz-Gymnasium in Dormagen fand im Februar 2014 die Premiere des Zeitzeugen-Theaters statt. "Kann man Holocaust spielen?" Mit dieser Fragestellung machte sich eine Gruppe Schülerinnen und Schüler begleitet von TheaterpädagogInnen auf den Weg, die Erinnerungen von Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden, darzustellen.

Keine einfache Aufgabe
Das Zeitzeugen-Theater erfordert sowohl von den Überlebenden als auch von den Schülerinnen und Schülern psychische Belastbarkeit. Aus diesem Grund steht ihnen während der Projektphase ein Psychotherapeut beratend zu Seite. Für die ehemals Verfolgten erfüllt das Zeitzeugen-Theater mitunter therapeutische Zwecke: Die Betroffenen erfahren, dass ihr schweres Schicksal nicht völlig sinnlos war. Sie gewinnen Zuversicht und Vertrauen in die junge Generation. Den Jugendlichen wiederum bietet es die Möglichkeit, verantwortlich an einer gemeinsamen Vergangenheitsbewältigung mitzuwirken. Das Projekt fördert eine besonders nachhaltige Form der Teilhabe über den zeitlichen und inhaltlichen Projektrahmen hinaus.
 
Das Pilotprojekt des Bundeverbandes leistet darüber hinaus einen Beitrag zur historischen Dokumentation. Das szenische Skript und die Theateraufführung werden mit Einwilligung aller Beteiligten aufgezeichnet und gespeichert. Auf das so entstandene Material können anschließend auch andere kooperierenden Schulen zugreifen. Auf diese Weise entstehen wichtige Zeitdokumente für die nachfolgenden Generationen. Viele persönliche Verfolgungsgeschichten würden anderenfalls unwiderruflich in Vergessenheit geraten.